ART. 2: LEITLINIEN FÜR GERICHTE 3. Wie sich das Gericht die entsprechende Kenntnis vom ausländischen Recht verschafft, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen, das sich an den in Art. 1 § 2 genannten Zielen ausrichtet. An die Ermittlungspflicht sind umso höhere Anforderungen zu stel- len, je komplexer oder je fremder im Vergleich zum eigenen das anzuwendende Recht ist. Von Einfluss auf das Ermittlungsermessen können auch Vortrag und sonstige Beiträge – etwa Privatgutachten – der Parteien sein, mit denen das Gericht sich gemäß deren Detailliertheit auseinandersetzen muss. Rechtsprechung: BGH, Urt. v. 30.4.1992 – IX ZR 233/90, BGHZ 118, 151 (= IPRspr 1992-265 = NJW 1992, 2026); BGH, Urt. v. 14.1.2014 – II ZR 192/13, IPRspr 2014-276 (= IPRax 2017, 517); BGH, Beschl. v. 26.4.2017 – XII ZB 177/16, NJW-RR 2017, 833; BGH, Beschl. v. 17.5.2018 – IX ZB 26/17, IPRspr 2018-297 (= EuZW 2018, 732); BGH, Urt. v. 18.3.2020 – IV ZR 62/19, EuZW 2020, 580 Rn. 24. 4. In einfachen Fällen genügt die Heranziehung der einschlägigen ausländischen Rechts- normen, wenn weitere Informationen schwer zu erhalten sind und kein Grund zu der Annahme besteht, dass die ausländische Rechtspraxis vom ermittelten Gesetzestext abweicht. Insbesondere der Einholung eines vertiefenden Rechtsgutachtens bedarf es bei einer überschaubaren und ersichtlich auch nicht außergewöhnlichen Fragestellung nicht. Das Gericht teilt die Absicht, auf dieser Grundlage zu entscheiden, den Parteien vorher mit. Erläuterung: Der BGH, Beschl. v. 24.5.2017 – XII ZB 337/15, IPRspr 2017-304 (= NJW-RR 2017, 902), ließ es bei einer Standardfrage zum ecuadorianischen Familienrecht ausrei- chen, dass sich das Instanzgericht im Wesentlichen auf die Auskunft der entsprechenden Botschaft verlassen hatte. In einer anderen Entscheidung ließ der BGH es genügen, dass das Instanzgericht den Inhalt des ausländischen Rechts mithilfe von Erläuterungen hierzu in der wissenschaftlichen Literatur festgestellt und auf den in der Kommentarliteratur ab- gedruckten und erläuterten Text des ausländischen Gesetzes zurückgegriffen hat (Beschl. v. 26.4.2017 – XII ZB 177/16, NJW-RR 2017, 833, Rn. 25). Auch die Entscheidung BGH, Urt. v. 21.1.1991 – II ZR 49/90, IPRspr 1991-1b (= NJW-RR 1991, 1211) („prendas navales“), macht deutlich, dass vertiefende Ausführungen zur Rechtspraxis nur bei Anzeichen eines Abweichens von der geschriebenen Rechtslage erforderlich sind. In BGH, Urt. v. 18.3.2020 – IV ZR 62/19, IPRspr 2020-99, Rn. 24 (= EuZW 2020, 580, Rn. 24), genügte es zwar nicht, dass das Gericht eine für die Entscheidung relevante Rechtsvorschrift des ausländischen Rechts eigenständig und lediglich sinngemäß in die deutsche Sprache übertragen hatte; dies dürfte aber nicht für Fälle gelten, in denen am Inhalt der Norm und ihrer Übereinstimmung mit der Praxis keine begründeten Zweifel bestehen. 12